Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrte Münchner Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Zu Beginn meiner Rede möchte ich sie alle ganz herzlich begrüßen.
Wir haben uns heute erneut jetzt zum Sechsten Jahr hier versammelt, um in tiefster Trauer dem ermordeten Münchner Bürger Habil Kılıç zu gedenken. Vor genau 17 Jahren, am 29. August 2001, ist er in in seinem Geschäft von unbekannten Täter*innen ermordet worden und seine Familie mit Ehefrau Pınar Kılıç und Angehörigen, den Vater und Ehemann beraubt.
Danach wurden seine Familienangehörigen von Sicherheitsbehörden und Medien, aber auch von ihrem unmittelbaren Umfeld, jahrelang zu Unrecht verdächtigt. Es hieß, sie ständen in Verbindung mit der organisierten Kriminalität.
Heute wissen wir, Habil Kılıç war das vierte Opfer der Rassisten. Nach ihm wurden sechs weitere Menschen, darunter 5 Migranten und eine deutsche Polizistin in gleicher Weise brutal und gnadenlos von den rassistischen Terroristen ermordet. Von den 10 Mordfällen ereigneten sich 5 in Bayern.
Natürlich waren dies nicht die einzigen Massaker und Mordtaten von anderen Rassisten. Solingen, Mölln, und viele die ich hier nicht erwähnen kann sind weitere Schauplätze rassistisch motivierter Gräueltaten.
Darüber hinaus scheint auch die Ermordung unschuldiger Menschen am Münchner Olympia Einkaufszentrum rassistisch motiviert zu sein.
Wir sind davon überzeugt, dass die NSU Gruppe so lange morden konnte, weil alle Institutionen sich weigerten, die Betroffenen als Opfer rechter Gewalt wahrzunehmen. Wer in Zukunft die weitere Stigmatisierung von eventuellen Opfern rechter Gewalt verhindern will, muss den institutionellen Rassismus in allen Behörden auf arbeiten.
Die Hoffnungen auf Aufklärung hat der Prozess, auch für die betroffenen Familien, leider nicht erfüllt: „Für mich ist der Prozess enttäuschend. Da hätte viel mehr herauskommen müssen. Viele haben blockiert.“ Diese Blockaden in Form etwa des begrenzten Anklagezuschnitts durch die Bundesstaatsanwaltschaft oder die Weigerungen des Gerichtes, Akten aus anderen Verfahren hinzuzuziehen, im Verfassungsschutz anscheinend vieles verheimlicht wurde, verhinderten eine weitergehende Aufklärung.
„Wenn die Unterstützer und Mittäter des NSU nicht angemessen bestraft werden, ist das ja ein Freifahrtschein weiterzumachen. Dieses Thema NSU wird immer ein Thema bleiben. Menschen, die seit dreißig, vierzig Jahren hier in Deutschland lebten und arbeiteten sind ermordet worden auf diese kaltblütige Art und Weise, das wird in Erinnerung bleiben“,.
Die vollständige und lückenlose Aufklärung und Auflösung des NSU-Komplexes wäre ein wichtiges gesellschaftliches Signal an die Betroffenen gewesen.
Beim Prozess am Oberlandesgericht München und bei den Untersuchungsausschüssen an den Landtagen wurde klar, dass der Sicherheitsapparat nicht ernsthaft daran interessiert war, den Fall NSU aufzuklären. Ordner verschwanden oder tauchten an anderen Stellen wieder auf, der Hessische Verfassungsschutz hat die Akten zum NSU für 120 Jahre weggesperrt.
Inhalte aus diversen Nachrichtenmeldungen stammen:
Von Januar 2009 bis Juni 2016, das reihenweise Sterben der 6 NSU-Zeugen:
Wir möchten solche rassistische Gewaltakte und Angriffe in Zukunft vermeiden und uns dafür einsetzen, diese Fälle ans Tageslicht zu bringen. Für sie und für die Familie Kilic sind wir hier und auch für sie protestieren und trauern wir.
Verehrte Münchner, unsere Forderungen als Türkenrat-München lautet:
Die Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex als Beispiel gewalttätiger rechter Strukturen muss mit dem Ende des Prozesses einen neuen Anfang nehmen. „Alle Beteiligten und Unterstützer*innen des NSU-Netzwerkes müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus dem Prozess muss die gesellschaftliche, politische und juristische Auseinandersetzung mit dem NSU jetzt mit langem Atem weitergehen,“
Als Türkenrat München rufen wir die ganze Gesellschaft dazu auf, sensibel gegen jegliche Art von wachsendem Rassismus, Gewalt, Fanatismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit zu sein.
Wir sind nahezu 4 Millionen türkischstämmige Menschen , die den Entschluss gefasst haben in Deutschland zu leben und Teil der deutschen Gesellschaft zu werden. Ausgehend davon möchten wir die Grundlage für ein friedliches Miteinander bilden und die Interessenvertretung auch der türkischstämmigen Mitbürger in München erreichen.
Durch das Kennenlernen gegenseitiger Interessen und Wünsche und die gegenseitige Anerkennung und Akzeptanz möchten wir das Gefühl der Zugehörigkeit stärken und uns in Deutschland heimatlich fühlen.
„Es ist immer nicht leicht, sich in allen Dingen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens zu verständigen.
Aber wir dürfen diesen Themen nicht ausweichen. Wir müssen die Diskussion jetzt führen. Wir brauchen eine fortdauernde, gemeinsame Anstrengung für das Zusammenleben in unserem Lande. Wir müssen die Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen, wenn wir sie erfolgreich gestalten wollen – ohne Angst und ohne Träumereien.“
Vielen Dank, und danke auch an alle, die uns bei der heutigen Gedenkveranstaltung unterstützt haben.
Sami Demirel
Vertreter des Türkenrat-München und
Vorsitzende Konya-Eregli e.V,